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Karl Hermann Trinkaus – Der neue Mensch

Ich sitze gerade im Café Idee des Museums der Bildenden Künste (MdbK) in Leipzig. Über mir erhebt sich der Kopf des „Kaputtnik“ von Paule Hammer. Vor mir stehen ein Kaffee und ein Stück Kirsch-Schmand-Kuchen. Noch stapeln sich Styropor-Platten neben der Figur. Die Fertigstellung des Werkes vollzieht sich in Etappen. Im Mai 2020 soll der „Kaputtnik“ vollendet sein. Ich bin gespannt.

Paule Hammer – Kaputtnik (2019)

Das Bemerkenswerte an diesem Tag ist nicht etwa der Weihnachtsmarkt, der von tausenden Menschen geflutet wird. Ich habe heute Karl Hermann Trinkaus entdeckt. Ihm ist die aktuelle Sonderschau aus der Reihe „Bauhaus – Der neue Mensch“ gewidmet. Trinkaus wurde in der Nähe von Leipzig geboren, hat am Bauhaus in Dessau u. a. bei Klee und Kandinsky studiert.

Karl Hermann Trinkaus – Stalin im Gespräch (um 1927)

Erstaunlich aktuell ist für mich das Werk „Der neue Mensch“. Trinkaus scheint 1926 das Verhaftetsein der Menschen in Social Media vorweggenommen zu haben.

Karl Hermann Trinkaus – Der neue Mensch (1926)

Der urbane Mensch scheint verhaftet in einer Welt aus Medien, Werbung und Vergnügen. Der mutige Schritt endet auch nur bei Chlorodont.

Multimedia im Kunstkraftwerk Leipzig

Auf dem Gelände der ehemaligen „Großen Leipziger Straßenbahn“ befindet sich seit 2014 das Kunstkraftwerk Leipzig. Kunst findet hier in den Hallen des ehemaligen Kraftwerkes statt. Beginnend mit seiner Gründung, versucht sich das Kunstkraftwerk als ein Ort für immersive Kunst zu etablieren.

Ich war am Mittwoch dieser Woche, gestern, in der Ausstellung. Immersive Kunst, also multimediale, begehbare Kunst, gibt es an verschiedenen Plätzen. Ich habe mir im vergangenen Jahr Visions alive in Berlin (Von Monet bis Kandinsky) angesehen.

Erst vor ein paar Wochen waren wir in Les Baux des Provence in der Ausstellung „Carrières de Lumières“, aktuell mit Arbeiten zu van Gogh und zu Japanischen Träumen. Carrières de Lumières ist im Vergleich zu Leipzig gigantisch. Die Räume sind einfach unübersehbar groß. Aber inhaltlich und technisch kann Leipzig mit beiden Ausstellungen locker mithalten.

In Leipzig hat mich „Bach Expirience“ besonders begeistert. Die Kombination aus Videoinstallation und Bachscher Musik ist absolut gelungen. Die Bilder passen sich toll in die Gebäudearchitektur der Maschinenhalle ein. Die 35 Minuten vergingen wie im Flug.

Mit gewaltigen Bildern und sehr passender Musik kamen die „Giganten der Renaissance“ daher. Der Beitrag eignet sich super, um abzutauchen in einen Strudel aus Bildern und Musik.

„Hundertwasser Expirience“ in der Maschinenhalle läuft zwar nur 10 Minuten. Aber hier scheint sich die Zeit zu dehnen. Mein Pech war, zur gleichen Zeit mit mir verweilte eine Gruppe Schnattergänse in der Halle. Das hat meine Freude etwas getrübt.

Zu den „Wunderwelten von Alice“ (im Wunderland) war ich dann glücklicherweise alleine in der Kesselhalle. Das war gleich ein ganz anderer Eindruck. Später kam eine Familie mit zwei Kindern dazu. Die Kinder tanzten zur Musik und in den Bildern. Das muss man gesehen haben. Also, wer da mal hin geht: Nehmt Euch Kinder mit, die sich trauen zu tanzen!

„Werk in Progress“ und „Wish you were here“ in der Kesselhalle setzen beide auf die Kombination aus hochwertiger Projektionstechnik und Nutzung der Gebäudestrukturen. Projektion, Realität und so entstehende Fiktion fließen zusammen. Mehrmals war ich mir nicht sicher, was real und was fiktiv ist.

Mein Fazit: Der Besuch lohnt sich. Die 11 Euro Eintritt sind gut angelegtes Geld. Ich habe mir umständlich einen Parkplatz in einer Seitenstraße der Saalfelder Straße gesucht. Hätte ich mir sparen können. Auf dem Gelände gibt es Stellplätze für PKW. Ich werden auf jeden Fall noch einmal die Ausstellung besuchen. Den Teil „Installierte Medienkunst“ habe ich nur noch schnell durchlaufen können. Als Besucher sollte man unbedingt Zeit mitbringen. Alleine der immersive Teil der Ausstellung hat eine Spieldauer von 115 Minuten. Hinzu kommen zweieinhalb Minuten Pause zwischen jedem Abschnitt. In der Maschinenhalle stehen Stühle und Bänke. Wer sich lieber lang machen will, kann hier Decken und Kissen auf dem Boden nutzen. In der Kasselhalle gab es gestern nur Stühle. Ich finde auch, man sollte seinen Platz immer wieder einmal wechseln. Die Sicht und die damit verbundenen Eindrücke ändern sich bemerkenswert.

Point of No Return – Wende und Umbruch in der ostdeutschen Kunst

Das Museum der bildenden Künste Leipzig beherbergt sei einigen Tagen eine neue und, wie ich finde, sehr sehenswerte Ausstellung. Über 130 Werke von 60 Künstlern setzen sich mit dem Thema „Wende“ auseinander.

Als spannend empfand ich das Werk „Auswildern“ von Sighard Gille aus den Jahren 1990/1991. Es thematisiert die Frage nach dem Zurechtkommen mit Freiheiten.

Sighard Gille: Auswildern (1990-1991)

Für mich bleibt die Frage: Wie empfinden Menschen die Werke, die die Jahre vor, während und unmittelbar nach der Wende nicht bewusst erlebt haben? Ich werde wohl mal meine Kinder in die Ausstellung mitnehmen. Vielleicht bin ich dann schlauer.

Mit Telefonzellen beispielsweise kann man nur etwas verbinden, wenn man mal in einer drin gestanden hat, den Blechkasten benutzt hat und den Geruch erinnern kann.

Wolfgang Smy: Großes Stadtbad (1986)

Die Ausstellung regt zum Nachdenken an. Fragen nach Mauern im Denken kommen auf. Wie wirkt Agitation? Warum beschränkt man sein Denken? Warum lässt man Bewegungsunfreiheit zu? Da ist es mit einem Besuch nicht getan. Ich muss auf jeden Fall mindesten noch einmal in die Ausstellung. Zeit ist dafür noch bis 3. November 2019.